Thais denken und empfinden anders
Vielen Schwierigkeiten geht man aus dem Weg, wenn man das wichtigste der thailändischen Mentalität beachtet, die sich für uns Europäer als unverständliche Gleichgültigkeit gegenüber uns wichtigen Dingen darstellt.
Als hier in Thailand lebender Ausländer kann man sich noch so gut vorbereiten und informieren, jedoch im täglichen Leben wird man gar nicht selten an der Mentalität der Einheimischen verzweifeln. Das trifft besonders diejenigen, die hier mit einer Thailänderin in einer Gemeinschaft leben oder verheiratet sind.
Gemeinhin erwecken die Menschen in Thailand den Eindruck immerzu fröhlich und guter Stimmung zu sein. Sie sind freundlich, hilfsbereit, zuvorkommend und vermeiden offensichtlich jeden Streit und jede Auseinandersetzung. Kaum jemals wird sich ein Thai dazu herablassen eine Beleidigung auszusprechen oder eine Bitte in direkter Form abzuschlagen. Eine Verneinung, thailändisch „Mai“, wird in diesem Zusammenhang kaum über die Zunge der immerzu freundlich lächelnden Menschen kommen.
Thailänder leben möglichst unbeschwert. Diese Mentalität spiegelt sich in den drei wichtigen Worten Sanuk = Spaß, Sabai = Entspannung und Suay = schön. Alles was dem widerspricht ist mai, also kein Spaß, keine Entspannung und nicht schön. Problemen geht man gerne mit der Redewendung Mai pen rai aus dem Weg. Das bedeutet „macht nichts“, bzw. „kein Problem“. Mit diesen Worten fügt man sich in das scheinbar Unabänderliche und lacht lieber, anstatt sich Gedanken darüber zu machen, wie man eine Situation ändern kann. Diese Einstellung ist für uns Europäer schwer zu verstehen, wo wir doch gewillt sind Probleme immer so schnell wie möglich zu lösen.
Fragt man beispielsweise jemanden nach dem Weg, erhält man immer eine Auskunft, auch wenn diese falsch ist. Findet man in einem Geschäft nicht den richtigen Artikel und fragt, wo es den zu kaufen gibt, wird man sofort zu einem anderen Geschäft geschickt, auch wenn es den da auch nicht gibt. Kein Thai wird kaum zugeben, etwas nicht zu wissen, nicht helfen zu können. Das Wort „Nein“ thailändisch „Mai“ ist im thailändischen Sprachgebrauch im Sinne einer abschlägigen Verneinung deshalb äußerst selten zu hören. Einem Ausländer wird es deshalb nur in wenigen Fällen gelingen sofort zu erkennen, ob eine Auskunft substanziell brauchbar ist, oder ob es sich um eine Antwort handelt, die den Hilfesuchenden letztlich in die Irre führt. Der Grund ist der Gesichtsverlust, den ein Thai unweigerlich erleidet wenn er sich dabei ertappt fühlt, wenn er etwas nicht weiß oder nicht helfen kann.
Für die in Thailand lebenden Ausländer ist das manchmal zum verzweifeln. So kann es passieren, dass er von einem Mitarbeiter einer Behörde eine scheinbar sehr ausführliche Auskunft erhält, welche Papiere er benötigt, damit sein Anliegen erfüllt werden kann. Beschafft er sich diese Dokumente, lässt sie gar übersetzen und von seiner Botschaft beglaubigen, erfährt er bei seinem nächsten Besuch bei der gleichen Behörde, dass seine Unterlagen nicht verwendbar sind oder immer noch ein wichtiges Dokument fehlt. Mai pen rai, macht nichts, sagt der höfliche Farang daraufhin lächelnd, denn wenn man seine Verärgerung zeigt, verliert man sein Gesicht und darf sich nicht wundern, beim nächsten Besuch erst richtig vor die Wand zu laufen.
Auch in meiner kurzen Ehe mit Ket wurde ich mit diesem Mentalitätsproblem konfrontiert. Immer wenn es eine kleine Schwierigkeit gibt, versuchte meine liebe Frau mit den Worten „Mai pen rai“ Zeit zu gewinnen, bzw das Problem zu verdrängen. Probleme sind ja für Thais so etwas, wie Weihwasser für den Teufel. Probleme lösen sind nicht Sanuk, das macht keine Freude und irgendwie wird sich ja doch alles mehr oder weniger in Wohlgefallen auflösen oder es kommt doch, wie es kommen muss. Das ist Thaimentalität und dieses Denken kriegt man als Farang einfach nicht aus ihren netten Dickschädeln.
Damals habe ich mal mit meiner Ket über ihre Zukunft gesprochen. Schließlich bin ich fast 30 Jahre älter als sie und möchte sie später gut versorgt wissen. Das ist noch lange Zeit, meinte sie unwirsch und ließ mich mit meinen Gedanken alleine im Regen stehen. Morgen denken neu, wenn es soweit ist, dann wird sich schon eine Lösung abzeichnen. Ein Farang muss da schon etwas konsequent sein. Solange meine Frau zum Beispiel noch ein par Baht in der Tasche hatte, wird irgendetwas gekauft. Sei es für den Vater, die Mutter, den Kindern oder Leckeres zum essen oder ein par neue Klamotten.
Das Haushaltsgeld einplanen, eine Notgroschen anlegen, das gibt es nicht. Geht das Geld zur Neige, heißt es, morgen denken neu und dann wird sich schon irgendeine Lösung abzeichnen. Morgen denken neu. Das ist auch die Devise, wenn Gäste ins Haus schneien. Gäste müssen mit allem was da ist bewirtet werden. Zumal, wenn man einen reichen Farang hat. Auch wenn es knapp ist. Das darf niemand merken und es spielt keine Rolle, wenn vom letzten Geld Bier geholt wird. Morgen, oder dann? Morgen denken neu!
Dann kommt eben für einige Tage bis zum nächsten Geldeingang Reis mit Grünzeug und Chili auf den Tisch und es wird Nam Keng getrunken, Wasser mit Eis. Das kostet fast nichts und ist sowieso gesund.
Thailänder leben heute. Was morgen ist, ist uninteressant. Heute muss ein Motorrad gekauft werden. Das ist Sanuk, Freude. Wenn dann die Raten nicht mehr bezahlt werden können, Mai pen rai, macht nichts, kein Problem, dann holt es die Feinend, die Finanzierungsgesellschaft ab. Zwar ist das bis dahin gezahlte Geld dann futsch, doch man hat ein Motorrad gehabt und das war Sanuk, Freude. Morgen denken neu, wenn man in einigen Wochen wieder etwas Geld für die Anzahlung hat, dann wird ein neues Dschaggajaann, sprich Tschakkajan, gekauft. Und da meint doch ein Ausländer tatsächlich, wir Thai würden plan- und ziellos von einem Tag in den anderen leben.
Morgen denken neu. Das denkt auch der Reisbauer, wenn die Ernte schlecht ausfällt. Und weil der karge Erlös gerade reicht, um beim Nachbarn seine Schulden zu bezahlen, fehlt es an allen Ecken und Kanten. Da der Strom bezahlt werden muss und die Kinder aus der Schulkleidung herausgewachsen sind, die Oma Medikamente braucht, Dünger für die Felder gekauft werden muss, wird eben ein Kredit aufgenommen. Fällt aber die nächste Ernte wieder schlecht aus, was dann? Morgen denken neu!
Wenn ich dieses Problem noch etwas näher betrachte, dann wird mir klar, dass es sehr oft das Grundübel im Zusammenleben zwischen einem Farang und seiner thailändischen Partnerin ist. Egal was für ein Problem zwischen beiden auftaucht, egal, wie groß oder wie klein es sein mag. Thailänder haben es nicht gelernt Probleme anzufassen und so schnell wie möglich zu lösen. Alles was nur irgendwie den Anschein hat Unannehmlichkeiten auslösen, wird von ihnen unterlassen oder zumindest auf die lange Bank geschoben.
Dieses Verhalten der thailändischen Partnerin entspricht weniger der Mentalität des Individuums, als der Erziehung im Elternhaus und der Schule, wo bereits die Kinder zwar zum Gehorsam und der Achtung älteren Menschen gegenüber erzogen werden, doch jegliche Art Förderung von Eigenverantwortung und der damit verbundenen Eigeninitiative unterbleibt. Da die thailändische Partnerin die aus der Eigeninitiative resultierenden Erfolgserlebnisse nicht kennen gelernt hat und zudem der soziale Status der Frau in Thailand niedriger als der des Mannes angesiedelt ist, bringt sie deshalb im Zusammenleben mit einem Farang wenig Verständnis dafür auf, wenn man von ihr erwartet Probleme zu lösen, die ursächlich Sache des im Sozialgefüge höher gestellten Mannes sind.
Da man aber als Farang bei vielen Dingen im Alltagsleben, sei es innerhalb der Familie, beim Einkaufen, bei Behörden usw. mehr oder weniger auf die Hilfe seiner Partnerin angewiesen ist oder zumindest Hilfe erwartet, weil sie auf Grund ihrer Sprach- und Landeskenntnis das Problem viel besser lösen kann als man es selber könnte, kommt der große Frust, wenn man glaubt, dass sie einem hängen lässt.
Häufen sich diese Fälle, für die wir Farang kein Verständnis aufbringen können, entwickelt sich der Frust zu einer chronischen Erscheinung. Die Folge ist eine sich langsam wachsende Entfremdung mit der oft zu beobachtender Neigung zu Alkoholismus. Zocken und Fremdgehen.
Am Ende eskaliert das gegenseitige Unverständnis, die Partnerschaft geht in die Brüche und jeder versucht jetzt nur noch das Beste für sich herauszuholen.
Wie kann man diesem Problem begegnen? Auf keinem Fall mit dem Kopf durch die Wand. Je nach Temperament kann es dann nämlich passieren, dass das liebevolle Kätzchen zum Tiger wird, das Geschirr zertrümmert oder gar mit dem Brotmesser herumfuchtelt. Andere dagegen kapseln sich ab, fühlen sich unverstanden und ungeliebt, schließen sich in ein Zimmer ein oder brechen stundenlang in Tränen aus.
Beim Auftauchen von Problemen schaltet nach unserer Ansicht oft sogar das normale Denkvermögen der Thais völlig aus und ein sonst vernünftiger Mensch verhält sich wie ein kleines störrisches Kind.
Fast jeder mit einer Thaifrau verheiratete Farang kennt solche Situationen und steht denen oft völlig hilflos gegenüber. Sie versteht ihn nicht, er versteht sie nicht.
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